Dieser Moment, wenn schon extra die Lederjacke über dem bauchfreien Oberteil geschlossen hast bevor du in die Öffentlichkeit gehst, eine lange Hose und Kopfhörer trägst und schnell und zielstrebig läufst und trotzdem ein Typ es angemessen findet, dich anzufassen. Der sich deine Aufmerksamkeit nimmt. Körperlich. Gegen deine Willen. Und wenn du dann die Kopfhörer abziehst fragt er "wie alt bist du" und "hast du einen Freund" und du übergehst die erste Frage und bejahst die zweite, weil es einfacher ist. Egal ob du einen Freund hast oder nicht, es ist leichter so. Solche Männer werden das Nein eines anderen Mannes immer mehr respektieren als deins. Sie werden dich nicht respektieren. Alles, was du tun kannst, ist rennen. Ist zu sagen, dass du den Bus erwischen musst, zur Haltestelle rennen, einsteigen und beten, dass er dir nicht folgt. Dich auf dem Heimweg immer wieder umdrehen, weil es ja nicht das erste Mal wäre, das du verfolgt wirst. Nicht das erste Mal das einer nur auf den richtigen Moment wartet.
Beim Anziehen heute morgen habe ich mich bewusst gegen den Rock entschieden. Sah mich im Spiegel an und wusste, dass ich eine Jogginghose mitnehmen müsste, für den Heimweg. Habe die Hose gewählt. Und ja, dieses Oberteil, das freizügig ist und so schön ziehe ich nur an, wenn ich eine Jacke darüber schließen kann, es verstecken kann, damit es keine Einladung wird. Mich verstecken kann, damit ich keine Einladung werde. Denn das bedeutet es eine Frau zu sein. Das ist Alltag. Ich sollte wohl dankbar sein, dass er mich beim dritten Nein in Ruhe gelassen hat, aber wie traurig ist es bitte, dass das der Maßstab ist. Statt Dankbarkeit empfinde ich Wut. So viel Wut.
Ich bin freundlich geblieben, umgänglich. Habe gesagt, dass es mir leid tut, dass ich weg muss. Nicht gesagt, wie unangemessen alles an dieser Interaktion war. Nicht gesagt, dass es ihn einen Dreck angeht, ob ich einen Freund habe. Nicht gesagt, dass ich meinem Freund nicht gehöre, das ich niemandem gehöre als mir selbst. Das dieses Nein meine Entscheidung ist und nur meine. Das das mein Körper ist, den er da berührt hat und das er das nicht durfte. Ich habe ihn nicht beleidigt, bin freundlich geblieben. Habe mein Pfefferspray in der Tasche gelassen. Und warum? Weil ich Angst hatte, alles schlimmer zu machen, ihn wütend zu machen. Das er mir weh tun könnte. Das seine Wut mein Nein überschreibt. So blieb mein Nein diesmal zumindest stehen. Blieb das dritte Nein stehen und ich konnte rennen. Nur die Wut, die bleibt.